Fleischer-Geschichten

Die ersten Wurst- und Schinken Sommeliers Deutschlands

Deutschland ist das Land der vielfältigsten Wurst- und Schinkensorten weltweit. Genau deshalb können sich Fleischermeister seit Sommer 2018 in Augsburg zum Wurst- und Schinken-Sommelier ausbilden lassen. Der Kurs in der dort ansässigen Fleischerschule macht sie zu Genussbotschaftern ihrer handwerklich hergestellten Produkte. Zwei Teilnehmer, die den Kurs zusammen mit 19 weiteren Berufskollegen als erste absolviert haben, sind Karl-Heinz Koithahn, Fleischermeister und seine Frau Christine Koithahn, Ernährungsberaterin im Fleischerfachgeschäft.

Am südlichen Harzrand, in der Ortschaft Hattorf am Harz, führt Karl-Heinz gemeinsam mit seiner Schwester Beate Koithahn die Fleischerei „Koithahn‘s Harzer Landwurstspezialitäten“ in dritter Generation. Seine Frau Christine leitet die Filiale im Stammhaus und auch seine Söhne Benjamin Karl Heinz und Tim Felix sind im Familienunternehmen tätig. Benjamin ist Fleischermeister und Betriebswirt des Handwerks, er leitet die Versandabteilung des Unternehmens. Tim Felix arbeitet derzeit in leitender Tätigkeit in der Produktion und plant, nächstes Jahr seinen Meister zu machen. „Unser Schwerpunkt liegt auf original Harzer Wurstspezialitäten“, erklärt Karl Heinz Koithahn. Rund 12 Tonnen Wurst die Woche und über 300 Sorten pro Jahr werden in der Produktion des Familienunternehmens hergestellt. In Puncto Fleischherkunft setzt man hier auf einen eigenen Schweinehof. In dem luftigen Stall kommen heute 90 bis 120 Harzer Heuschweine in tiergerechter Haltung unter (mehr zum Heuschweinhof findest du hier).  Hinzu kommen Lieferbeziehungen mit Partnerlandwirten aus der Region, die eine ähnliche Tierhaltung betreiben. Der Transport der Tiere ist bei Fleischerei Koithahn Chefsache: Mit einem eigenen zertifizierten Tiertransportunternehmen fährt Karl-Heinz einen großen Teil der Strohschweine zu einem Schlachthof in der Region.

 

Das Unternehmen der Familie ist in den letzten Jahren stetig gewachsen – Neben 108 Mitarbeitern, sieben Filialen und einem Online-Shop gehören während der Sommermonate zwei Bratwurst Automaten und seit diesem Jahr 30 Verkaufstruhen im regionalen Lebensmitteleinzelhandel zum Geschäftskonzept. Tradition leben und trotzdem mit der Zeit gehen – das sind zwei Erfolgsfaktoren des Unternehmens. Um auch weiterhin auf Kurs zu bleiben, wirft das Unternehmen hin und wieder einen Blick über den eigenen Tellerrand. „Auf Weiterbildungen können wir unsere Firma für kurze Zeit aus der Vogelperspektive sehen:  Wo stehen wir, was machen wir gut, wo können wir noch nachlegen. Das stärkt unsere Position und die Richtung, in die wir gehen möchten“, so Karl Heinz Koithahn. So ließen sich Christine und Karl Heinz Koithahn bereits vor zwei Jahren in Augsburg zu den ersten Fleisch-Sommeliers in Deutschland ausbilden. Als dann im Sommer diesen Jahres der erste Wurst- und Schinken Sommelier Kurs angeboten wurde, war für die Wurstmacher aus dem Harz klar: Da sind wir dabei!


14 Tage Wurst und Schinken

Anfang Juli 2018 hieß es für das Ehepaar dann: Schulbank drücken. Zwei Wochen tauschten sich Karl-Heinz und Christine mit den kundigen Dozenten aus, stellten mit den anderen Teilnehmern selbst Produkte her und lernten in der Freizeit für ihre Abschlussprüfung. „Die Weiterbildung ist sehr umfangreich. Die Inhalte gehen von der Geschichte der Wurst, über nationale und internationale Spezialitäten bis hin zu Sensorik, Mikrobiologie, Raucharomen und Food Pairing“, erklärt uns Christine Koithahn. Besonders spannend war dabei der Gedanke, traditionelle Spezialitäten modern zu inszenieren: „Man denkt während des Kurses natürlich immer direkt an die eigenen Produkte: Womit können wir zum Beispiel unsere naturgereiften Mettwürste kombinieren und neue Geschmacksmomente kreieren? Zuhause haben wir dann direkt ein paar Öle und verschiedene Toppings auf Vorspeisentellern ausprobiert.“  Die Themen Mikrobiologie und Raucharomen waren zwar komplex, dem gelernten Fleischermeister Karl-Heinz jedoch nicht fremd. Gern erzählt er ein Beispiel aus dem eigenen Berufsalltag: „Unsere Mettwurst, wie der Harzer Knüppel, bekommt erst durch unsere Reiferäume ihren individuellen Geschmack. Wir haben die noch rohe Wurst einmal testweise an vier verschiedenen Orten gereift. Bekommen haben wir vier verschiedene Würste. Temperatur und Reifekultur spielen bei der Herstellung eine sehr wichtige Rolle.“


Wissen weitergeben

Solche Produktinfos und Ideen sollen zukünftig auch an die Kunden der Fleischerei weitergeben werden. „Wer mehr über unsere Produkte wissen möchte, soll von uns auch Informationen von A-Z bekommen“, so Christine Koithahn. Umfangreiche Informationen bietet die Fleischerei zwar schon heute, Produktbeschreibungen sollen jedoch noch detaillierter präsentiert werden: Durch Werbemittel mit allen Infos über die Geschichte des Produktes, die Zutaten und die Herstellung sowie einer Rezept- oder Foodpairing-Empfehlung. Und nicht nur das: Vor kurzem hat der Betrieb das Nachbarhaus erworben, um die Produktion und Kühlräume zu erweitern. Der Bau ist in vollem Gange. Ein Teil der neuen Fläche ist ein ehemaliger Schweinestall – hier soll die sogenannte „Porky-Stube“ entstehen. Ein Ort um Betriebsführungen gemütlich ausklingen zu lassen und wo Grillkurse oder Genussabende stattfinden können.

Nur durch eine offene Kommunikation könne man der Aufgabe des Sommeliers, die einzigartige  Wurst- und Schinkenvielfalt in Deutschland zu bewahren, gerecht werden. Davon ist Karl Heinz Koithahn überzeugt: „Es ist wichtig über das zu sprechen, was wir als Fleischer tun. Unsere Kunden können oft nur nach dem Preis beurteilen, auf Qualitätsebene müssen wir Sie informieren. Am besten gelingt uns das mit Geschichten über unsere Spezialitäten: Denn wir verkaufen nicht nur Wurst, wir verkaufen ein Stück Heimat, eine Erinnerung, ein Gefühl.“


Einfach gut genießen – Dein Fleischerhandwerk

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