Warenkunde

Biochemie in der Wurstküche: Warmfleischverarbeitung

Fleisch von Schwein und Rind direkt nach der Schlachtung verarbeiten – das nennt man Warmfleischverarbeitung. Dabei handelt es sich um eine traditionelle Methode, die ausschließlich im Fleischerhandwerk praktiziert wird. Weshalb? Nur im Fleischerhandwerk kann die schnelle Verarbeitung des Fleisches garantiert werden. Fleischereien, deren betriebliche Organisation die Verarbeitung von Warmfleisch zulässt, erfüllen deshalb verschiedene Kriterien: Sie sind regional verankert und pflegen kurze Transportwege von der Schlachtung in die Wurstküche.


Traditionelle Methode

Der Ursprung der Warmfleischverarbeitung liegt schon länger zurück: Sie stammt aus einer Zeit, in der Hausschlachtungen noch gang und gäbe waren und eine verlässliche Kühlung die Ausnahme war – das Tier musste nach der Schlachtung in kürzester Zeit verarbeitet werden. Heute gibt es weniger Fleischer, die selbst schlachten und das Fleisch unmittelbar verarbeiten können. Dennoch hat sich die Tradition in verschiedenen Regionen durchgesetzt: Die Warmfleischverarbeitung ist vor allem in den Regionen Thüringen, Nordhessen und dem Südharz auch heutzutage häufig anzutreffen.


Warum Warmfleisch? – ATP und Glykogen

Bei der Warmfleischverarbeitung geht es nicht darum, dass das Fleisch noch „warm“ und dadurch besonders „frisch“ ist. Viel wichtiger ist die biochemische Zusammensetzung des Fleisches kurz nach der Schlachtung. Warmfleisch beinhaltet natürliches Phosphat, sogenanntes ATP, und Muskelzucker, sogenanntes Glykogen. Sowohl ATP als auch Glykogen beeinflussen die Verarbeitungseigenschaften des Fleisches positiv:

ATP

Das natürliche Phosphat sorgt dafür, dass die Muskelproteine getrennt sind und das Fleisch kurz nach der Schlachtung noch weich und klebrig ist. Außerdem kann es zu diesem Zeitpunkt besonders gut Wasser binden und Fett einlagern. Diese Eigenschaften sind förderlich für ein besonders saftiges Produkt. Ca. ein bis zwei Stunden nach der Schlachtung beginnt der Abbauprozess des ATP. Bei Kaltfleisch wird deshalb künstliches Phosphat als Kuttermittel hinzugegeben, um das Fleisch zu einem homogenen Brät zu verarbeiten.

Glykogen

Der Muskelzucker im Warmfleisch sorgt dafür, dass der Fleischer der Wurst mehr Salz (25 g pro kg Warmfleisch) hinzugeben kann – denn der Zucker mildert die Salzschärfe. Mehr Salz macht das Produkt zusätzlich länger haltbar. Ein bis zwei Stunden nach der Schlachtung wandelt sich das Glykogen stetig zu Milchsäure.


Warmfleisch landet schnell im Kutter

Damit die biochemischen Verarbeitungsvorteile des Warmfleisches nicht verloren gehen, muss der Fleischer schnell sein. Für Schweinefleisch gilt ein Zeitfenster von zwei Stunden. In diesem zeitlichen Rahmen wird das Warmfleisch vom Fleischermeister unter der Zugabe von Salz bei niedrigen Temperaturen direkt zu einer schmackhaften Wurstspezialität verarbeitet. Zusätzlich kann der Fleischer den Warmfleischeffekt ein bis zwei Tage erhalten, indem er das Fleisch kräftig salzt, wolft und in der Kühlung aufbewahrt. Auch schnelles Einfrieren kann das ATP und Glykogen für mehrere Wochen konservieren.

Warmfleisch eignet sich besonders für Brüh- und Kochwürste. Wurst aus Warmfleisch behält den kräftigen Geschmack des Fleisches und ist besonders zart im Biss. Der charakteristische Geschmack wird durch edle Gewürze abgerundet, die jeder Fleischer je nach Wurstsorte individuell auf das Produkt abstimmt.


Einfach gut genießen – Dein Fleischerhandwerk

 

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